Die freche Fee Stibitze und der Rat im Unrat

Am allerliebsten ist Stibitze zu Hause. Und wenn sie mal nicht zu Hause ist, dann ist sie am liebsten im Wald. Auf Wiesen ist sie auch gerne, aber der Wald ist für sie ein ganz besonders schöner Ort. Sie geht dort gerne umher und hört zu, wie das Laub unter ihren kleinen Feen-Füßen eine ganz eigene Melodie knirscht und knistert. Dabei kann sie beobachten, wie die kleinen Käfer ihrer Wege gehen. Sie lauscht dem Summen der Fliegen, wenn sie vergnügt durch die Luft toben, immer auf der Hut vor Spinnennetzen, die im Morgenreif ach so schön glitzern. Sie grüßt die Schnecken, die sich langsam aus ihren Häusern wagen und gemächlich weiter kriechen.

Die Natur verpackt das vielfältige Leben im Wald in den schönsten Farben. Stibitze ist jedes Mal verblüfft, wenn sie wieder eine Nuance von Grün entdeckt, die sie bis dahin nie zu sehen geglaubt hat. Andächtig schaut sie auf die hohen Bäume, die Rinde für Rinde von längst vergangenen Geschichten erzählen. Durch ihre Kronen hindurch scheint die Sonne und liefert das spektakulärste Licht- und Schattenspiel, das die Welt je gesehen hat.

Stibitze bekommt eine Gänsehaut von all dem. Dazu noch der herrliche Duft! Die vielen Aromen des Waldes verwöhnen die kleine Feen-Nase und sie genießt normalerweise jeden Moment dieser allseitigen Idylle.

Normalerweise. Aber heute nicht, sie ist zu besorgt. Gestern Abend wurde die Oberfee Lula Reif von den Eichhörnchen aus dem Wald dringend um Hilfe gebeten. Alarmiert trug sie Stibitze auf, in den Wald zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen. Es lässt sich denken, dass Stibitze in der Nacht kaum ein Auge zu tat. Sie zermarterte sich das Hirn, was da wohl im Argen läge. Schon sehr früh am Morgen packte sie ihren Rucksack und brach auf.

Jetzt ist sie fast da, der Morgen graut, als sie nachdenklich die letzten Kilometer bis zur Eichhörnchen-Eiche fliegt. Schmurr, das älteste aller Eichhörnchen, erwartet sie bereits auf dem Ausguckast der riesigen alten Eiche, die sein Zuhause ist. Stibitze landet bei ihm. Es fällt ihr sofort auf, wie bedrückt das alte Eichhörnchen aussieht. Das verheißt nichts Gutes. „Hallo Schmurr, ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich mach mir Sorgen. Was ist hier los? Warum habt ihr nach einer Fee geschickt?“

„Ach Stibitze, es ist schön, dich einmal wieder zu sehen. Ich wünschte nur, die Umstände wären fröhlicher.“ Er seufzt auf und senkt betrübt den Kopf.

„Wir Tiere pflegen unseren Wald und die Wiesen. Wir wollen es halt schön hier haben und deshalb kümmern wir uns auch gut darum, jeder hat seine Aufgabe. Klar, es gibt

schon mal Uneinigkeiten, die wir aber schnell aus der Welt geräumt bekommen. Die Menschen setzten uns bislang nicht zu. In letzter Zeit kommen aber immer mehr und darunter sind einige, die sich gar nicht gut benehmen.“

Stibitze hört aufmerksam zu. Wann kommt Schmurr endlich zur Sache?

„Sie lassen ihren Müll liegen. Konserven, alte Socken, Glasscherben, Kartons, Plastikzeug… Überall. Wir haben es zuerst als nicht so schlimm empfunden, bis die kleine Maus Jara etwas angeknabbert hat und es ihr so richtig schlecht wurde. Ja und der alte Fuchs Pago, der nicht mehr so gut sieht, hat versehentlich ein Plastikteil mit Zacken geschnappt, das ist ihm im Maul stecken geblieben. Wir konnten ihm helfen, aber er hat noch Wunden, die gar nicht heilen wollen. Der Igel Picks – oh je - steckt in einem Becher fest und wir bekommen ihn nicht heraus…“

Schmurr holt kaum Luft, seine schlimme Aufzählung scheint nicht enden zu wollen. Stibitze ist fassungslos.

„Bella, das Reh, konnte ihr Kitz gerade noch vor einer Glasscherbe warnen. Wir machen jetzt alle einen großen Bogen um die Stelle. Es nimmt inzwischen schrecklich Überhand. Von dem Zeug verrottet nichts. Wir haben Angst um unser Wasser, denn etwas von dem ganzen Müll fließt ja mit dem Regen in den Boden ab. Was sollen wir nur machen? Unser Zuhause wird zugemüllt, wir sind in Gefahr.“

„Schmurr, komm zeig es mir. Ich muss mir das ansehen.“ Stibitze muss mit eigenen Augen sehen, damit ihr Verstand begreifen kann, dass so etwas tatsächlich passiert. „Ja, gut. Aber bitte fass nichts an und beiß in nichts rein, Stibitze.“ Stibitze ist gerührt, trotz seiner eigenen Sorgen bangt der gute alte Schmurr auch noch um sie.

Plötzlich sagt eine kleine Stimme: „Opa, nimm mich doch bitte mit.“ Hinter der Astgabel lunzt das Eichhörnchenkind Piet hervor. „Du Lümmel“, sagt Schmurr. „Du sollst uns Erwachsene doch nicht belauschen. Das gehört sich nicht. Ab in den Kobel mit dir.“ „Tschuldigung“ stammelt Piet und rührt sich nicht von der Stelle. Er guckt seinen Opa mit großen putzigen Augen so flehend an, dass der schnell weich wird. „Na gut, komm schon mit, du kleiner Schelm. Aber bleib direkt hinter mir.“ „Yippie“, jauchzt Piet abenteuerlustig, grinst Stibitze an (Wow, eine richtige Fee!) und los gehen die drei.

Zeichnung-der-Prozession-im-Wald

Auf dem Rundgang erfährt Stibitze das ganze Ausmaß: Taschentücher hängen in Büschen, Plastiktüten überspannen Hecken, Batterien liegen in dem kleinen Bach, Dosen sind achtlos ins Moos geworfen, Pappgeschirr mit Essensresten quillen aus dem Laub, Plastikflaschen sind über Äste gestülpt, Bonbon Papierchen liegen überall verstreut auf dem Waldboden. Sogar ein alter Stuhl vergammelt in einer Kuhle, der Lack ist schon teilweise ab und mit dem Regen im Boden versickert. Eine Bananenschale liegt auch da, was genauso schlimm ist. Nicht, weil man darauf leicht ausrutschen kann, sondern weil diese Schale sehr lange braucht zum Verrotten und alleine deswegen in der Tonne richtig aufgehoben ist.  Müll hat in der Natur nichts zu suchen und gefährdet den Lebensraum, die Tiere und schließlich die Menschen selber.

Stibitze schaut sich um und sieht eine kleine Lichtung. Auf dieser Lichtung stehen eine Bank, ein Tisch, ein Mülleimer, der überquillt. Ein Ruhe- und Pausenplatz für Wanderer ist hier angelegt worden. Und dieser Platz wird derzeit entweder mehr besucht oder aber die Menschen vergessen, ihn in Ordnung zu halten.

So geht es auf jeden Fall nicht. Die Fee weiß, dass es extra Vorrichtungen und Bestimmungen für Müllentsorgung bei den Menschen gibt. Und sie weiß, dass sich viele an die Vorschriften halten und Tonnen, Eimer und Säcke für den Abfall benutzen. Und doch gibt es immer wieder welche, die gar nicht darüber nachdenken, was sie damit anrichten, wenn sie den Abfall einfach irgendwohin werfen.

Müll

„Schmurr, lass uns die Tiere suchen, vielleicht kann ich helfen.“ „Sie haben sich zurückgezogen, weil sie verunsichert sind und Angst haben. Komm mit, ich bring dich zu ihnen.“ Schmurr geht los und Stibitze bittet ihn, zuerst den Igel Picks zu suchen. Was für ein Glück, dass Stibitze ihm helfen kann. Sie hat ihre Waldausrüstung dabei und zieht die Handschuhe aus dem Rucksack. Damit kann sie Picks vorsichtig in die eine und den Becher in die andere Hand nehmen und an beiden ziehen. Mit einem „Plopp“ löst sich der Becher von Picks Kopf. Der kleine Igel ist unverletzt und überglücklich. Schmurr und Piet freuen sich mit ihm. „Das ist noch einmal gut gegangen. Pass auf dich auf, kleiner Mann.“ sagt Stibitze zu ihm.

Nach und nach besuchen die Fee und die Eichhörnchen nun alle Tiere, die in diesem Abschnitt des Waldes leben. Stibitze schaut sich das Maul vom Fuchs genauer an und weiß ein paar Kräuter, um die Wunden zu beruhigen. Der Maus Jara geht es inzwischen wieder gut, stellt Stibitze erleichtert fest.

Jedes Tier, das sie besuchen, schließt sich ihnen an und langsam zieht eine ganz besondere Prozession durch den Wald: Stibitze, Schmurr, der kleine Piet, der befreite  Igel, der alte Fuchs, die Maus, die Eule, der Dachs, der Hase, das Reh mit dem Hirsch und ihrem Kitz, die Spinne, der Käfer, die Ameisen, die Amsel und der Buntspecht.

Zurück bei der Eiche setzen sie sich alle in einen Kreis. Es ist erst ganz still. Stibitze denkt nach. Was könnte sie tun? Was sollte sie sagen? Es gibt so viele Menschen, die respektvoll und vernünftig mit der Natur umgehen. Aber es gibt auch achtlose und unwissende Menschen, wie Stibitze hier traurig erleben muss.

„Ihr lieben Tiere, ich bin schockiert. Was hier passiert, ist nicht richtig. Die Menschen werfen ihren Müll in euer Zuhause. Das ist nicht nur störend, sondern auch gefährlich. Für euch, für uns, für sie selber. Es muss einen Weg geben, die Menschen zur Vernunft zu bringen und die Natur und euch zu schützen. Ich habe da auch schon eine Idee… Ich muss jetzt los und das organisieren. Morgen früh komme ich zurück. Ihr geht am besten wieder in die Verstecke und wartet dort. Das soll das letzte Mal sein, dass ihr euch vor lauter Müll zurückziehen müsst.“

Stibitze verabschiedet sich kurz und bricht auf. Die Tiere verteilen sich schnell in alle Richtungen.

Am nächsten Morgen kommt Stibitze wieder, wie versprochen. Sie kommt nicht alleine. Ihre Freundinnen, die Prinzessinnen Elise, Emmie, Eva, Hanna und Ida, sind bei ihr. Auch Simsel, die kleine Fee, hat sich ihr angeschlossen. Die Oberfee hat die Wachleute Habdich und Hinterher angefordert, die den Trupp rund um Stibitze begleiten. Und die Putzmaus Ratzefatz hat sich sofort bereit erklärt, das Putz-kommando zu übernehmen, um für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. Mit vereinten Kräften wollen sie das alles in den Griff kriegen.

Die Prinzessinnen werden von Ratzefatz eingeteilt zum Müll aufsammeln. Sie haben lange Handschuhe an und tragen große Tüten mit sich.

Die Wachleute nehmen die Sachlage zu Protokoll und fordern nach Maßnahmen zur Instandhaltung des Waldes. So zum Beispiel soll der Platz regelmäßig kontrolliert und der Mülleimer ordentlich entleert werden. Außerdem stellen sie einen Aushang in einem Schaukasten auf, auf dem zu lesen ist, dass bei unrechtmäßiger Müllentsorgung Strafen und Bußgelder drohen.

Simsel spricht den Tieren gut zu und begleitet sie in ihre Wohnräume.

Und Stibitze? Für einen Moment steht die kleine Fee inmitten des Trubels, schließt die Augen und bekommt eine Gänsehaut, wie immer im Wald. Sie freut sich darüber, dass sich langsam alles wieder zurückverwandelt. Sie freut sich über die viele Hilfe.

Ganz zufrieden ist sie dennoch nicht. Ein kleiner Denkzettel zur Abschreckung für die, die ihren Müll einfach irgendwo wegwerfen, würde bestimmt nicht schaden. Verschwörerisch ruft sie ihre Freundinnen in einer Runde zusammen. Minutenlang tuscheln sie heftig.

Entschieden verkünden sie, dass sie sich ab sofort aktiv für den Umweltschutz einsetzen werden und einen Club gegründet haben. Den Club der Naturdetektive Paxias. Das Hauptquartier des Clubs wird der Rastplatz hier sein, die Clubtreffen sollen auf der Lichtung stattfinden, gut versteckt hinter den Büschen. Und wehe den Übeltätern, die sie so auf frischer Unrat-Tat ertappen… Na wartet!

 

Übrigens wurde Piet, das kleine Eichhörnchen, zum Maskottchen der Naturdetektive Paxias gekürt. Er ist richtig aufgeregt und freut sich auf viele Abenteuer.

Ein richtiger Club braucht auch ein Zeichen. Hast du eine Idee, wie das aussehen könnte? Dann zeichne es doch einfach und schick es mir zu:  kontakt@stibitze.de.
Die Naturdetektive Paxias freuen sich auf deinen Vorschlag.